Wir sitzen im Zug in Richtung Heimat und es ist Zeit ein Resümee zu unserer Reise nach und unserem Kurzurlaub in Venedig zu schreiben. Welche Etappe war die schönste, welche die anstrengendste? Hatten wir die richtige Ausrüstung und Kleidung dabei – zu viel oder zu wenig? Was würden wir anders machen, wenn wir die Strecke nochmal fahren würden?
Bei der schönsten Etappe können wir uns nicht so recht entscheiden. Die Etappe über den Reschenpass von Pfunds nach Meran war sehr schön, aber auch lang und anstrengend. Aber auch die Etappe von Meran nach Trento fanden wir beide sehr schön, auch wenn wir uns einmal doof verfahren haben und ein Stück auf der Bundesstraße fahren mussten.
Die Etappe über den Reschenpass hat uns nach dem Fernpass beide überrascht. Zum einen haben wir es mit kurzen Pausen tatsächlich geschafft den Pass ohne schieben zu bewältigen. Zum anderen haben wir es trotz Pass geschafft die 100km an einem Tag zu radeln.
Auch bei der anstrengendsten Etappe stehen zwei Etappen ganz oben. Die Etappe über den Fernpass von Biberwier nach Pfunds und die über den Praderadego von Mel nach Treviso. Wobei der Fernpass in dieser Kategorie wohl den ersten Platz gewinnt. Er war für uns aufgrund der Wege sowohl hoch – als auch für einige Mitglieder unserer kleinen Reisegruppe teilweise runter – unfahrbar. Leider lässt sich der Fernpass nicht anders fahren, die Bundesstraße ist aufgrund des extrem hohen Verkehrsaufkommens keine Alternative.
Hatten wir die richtige Ausrüstung und Kleidung dabei? Definitiv! Und bis auf ein Langarmshirt aus Merino hatten wir auch alles mindestens einmal an. Unsere vorherigen Rad-Reisen haben uns hier sicherlich geholfen. Den Kocher haben wir ganze zweimal genutzt, ob wir ihn noch einmal mitnehmen würden weiß ich nicht. Vielleicht wenn wir doch einmal mit Zelt unterwegs sind. Was wir definitiv gebraucht haben war unser Werkzeug – wenn auch zum Glück nicht für unsere Räder.
Was würden wir anders machen? Die Strecke etwas anders planen, nicht so sklavisch an der originalen Wegführung der Via Claudia Augusta entlang, sondern die Höhenmetern mit berücksichtigen. Vor allem von Trento nach Bieno hätte uns das einige Anstrengung erspart – auch wenn natürlich der Weg das Ziel ist. Die Länge der Etappen war ganz gut, auch wenn wir Abends immer ziemlich Müde waren. Eventuell hätte ein weiterer Ruhetag uns gut getan. Nur wo hätten wir ihn einlegen sollen, mach Meran und Trento kommen bis Treviso keine größeren oder spannenden Städte. Und in Treviso hätte es keinen Sinn gemacht, obwohl es eine schöne Stadt ist. Aber so kurz vor dem Ziel…?
Und Venedig? Sabine ist begeistert, ich mehr so „naja“. Es ist ohne Zweifel eine interessante Stadt mit einer ebenfalls interessanten Geschichte. Aber ich finde dem Mythos der seit Jahrhunderten um diese Stadt gepflegt wird, wird sie nicht gerecht.
Was spannend ist, dass diese Stadt fast gänzlich ohne Individualverkehr auskommt. Natürlich gibt es private Boote, aber die überwiegende Mehrheit der Menschen geht zu Fuß oder nutzt das hervorragend funktionierende System der „Wasserbusse“ – Vaporetto. Und wer es sehr eilig hat und es sich leisten kann nutzt ein Wassertaxi. Apropos „zu Fuß“ – wer die Stadt besichtigen möchte, sollte gut zu Fuß sein! Nur so kommt der interessierte Tourist auch einmal in Bereiche der Stadt, die nicht überlaufen sind.
Die Palazzi entlang des „Grand Canal“ (großer Kanal) und die offiziellen Gebäude am Plazza San Marco (Markusplatz) zeugen vom über die Jahrhunderte angehäuften Reichtum der Kaufleute Venedigs. Vom Blut, Schweiß, Tränen und den vielen Toten die diese Pracht ermöglicht haben spricht heute natürlich keiner mehr. Und auch wenn Venedig den Mythos der „Stadt der Kaufleute“ erfolgreich über Jahrhunderte aufrecht erhalten konnte, so war sie auch eine militärische Macht, die viele Kriege geführt hat um Reiche Beute machen zu können.
Der Doge von Venedig wurde zwar gewählt, aber nicht wirklich demokratisch. Nur wenige Adlige aus Venedig waren Wahlberechtigt und die Anzahl der Adelsfamilien in Venedig war über Jahrhunderte streng begrenzt und sogar kontrolliert. Zu Beginn wohl noch eine Meritokratie später dann eine Oligarchie mit den üblichen Macht und Ränke Spielen die wir heute in der Politik immer noch haben.
Der Glanz der Stadt ist schon lange verblasst, in den meisten Häusern riecht es modrig und wenn die Touristen nicht so viel Geld in die Lagunenstadt bringen würden, wäre wohl bald kein Geld mehr für die Erhaltung der Stadt da. Die Touristen kommen aus allen Teilen der Welt, an einem Abend hatten wir ein junges Paar aus Japan am Tisch neben uns sitzen, an einem anderen Abend auch ein Ehepaar in unserem Alter aus Australien. Ansonsten haben wir sehr viele Amerikaner „gehört“. Es waren aber auch viele Schulklassen bzw. Jugendgruppen aus Deutschland unterwegs – ob als „Tagestouristen“ oder für einen längeren Aufenthalt weiß ich natürlich nicht.
Erstaunlich fand ich, dass zwischen den ganzen Nippes-Läden, kleineren und größeren Restaurants, Eisläden und Edelgeschäften der Nobelmarken auch spannende, meist kleine Geschäfte mit „Spezialbedarf“ wie Papeterien zu finden waren. Und auf dem Markt an der Rialto Brücke werden nach wie vor Obst und Gemüse, Fleisch, Fische und Meeresfrüchte angeboten und natürlich auch gekauft – und zwar vorwiegend von den Einheimischen.
Die Stadt strahlt für mich eher einen morbiden Charme aus und wenn der Klimawandel so weiter geht und der Meeresspiegel wie prognostiziert steigt wird sie irgendwann entweder eingemauert oder untergehen. In den letzten 20 Jahren hat die Anzahl und Höhe des „Aqua alta“ (Hochwasser) zugenommen und das „nagt“ sichtbar an der Substanz der Stadt.
Inzwischen sind wir schon durch Innsbruck durch und wie es aussieht werden wir pünktlich um 16:27 Uhr in München sein. Die ÖBB hat für Fahrräder übrigens ein eigenes, großes Abteil in das mehr als nur acht Räder reinpassen. In München steigen wir in einen ICE um, da wird es sicher wieder eng…
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